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Das Stipendienwesen kennenlernen

Stipendienwesen kennenlernen

Die Entwicklung der Bildungs- und Wissenschaftslandschaft im Ruhrgebiet verzeichnet seit einigen Jahren beeindruckende Erfolge: Der Hochschulsektor hat faktisch erst seit Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit der Gründung der Ruhr-Universität Bochum seinen Startschuss erfahren, in der Folge jedoch eine hohe Dynamik entwickelt. Das Ruhrgebiet zählt damit mittlerweile zu den dichtesten Hochschullandschaften Europas: So studieren mittlerweile an den 22 Hochschulen des Ruhrgebiets mehr als 270.000 Studierende. Diesen zahlreichen jungen Menschen zu einem gelungenen Studienstart, -verlauf und schließlich -erfolg zu verhelfen, ist für die regionalen Hochschulen von höchster Bedeutung.

Studierendendichte

Quelle: Regionalverband Ruhr, Institut der deutschen Wirtschaft Consult GmbH, Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- und Strukturpolitik e. V., Scholz & Friends Berlin GmbH (2020): Wenn, dann hier. Die Zukunftschancen des Ruhrgebiets im Metropolenvergleich.

Eine mögliche Unterstützung der Studierenden liegt hierbei in der Förderung durch Stipendien.

Förderung

Diese Form der Förderung von Studierenden hat in den letzten Jahren stark zugenommen. So stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den 13 akademischen Begabtenförderungswerken seit dem Jahr 2005 Mittel für Stipendien zur Verfügung. Zu diesen gehören das Avicenna Studienwerk, das Cusanuswerk, das Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk, die Friedrich-Naumann-Stiftung, das Evangelische Studienwerk, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Hans-Böckler-Stiftung, die Studienstiftung des deutschen Volkes, die Hanns-Seidel-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung, die Stiftung der Deutschen Wirtschaft und die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Seit dem Beginn dieser Förderung hat die Bundesregierung die Förderinstrumente ausgebaut und die Etablierung einer Stipendienkultur in Deutschland vorangetrieben. Dies zeigt sich auch an den steigenden Zahlen der Stipendien, die jährlich vergeben werden.

Wenig bekannte Studienfinanzierungsquelle

Dennoch belegen Studien wie die Allensbachumfrage aus dem Jahr 2010, dass die Möglichkeit, das Studium durch ein Stipendium zu finanzieren, bei studierwilligen Abiturient*innen eine geringere Bedeutung hat. Eher werden elterliche Unterstützung, Einkünfte aus Nebenjobs oder BAföG als (potenzielle) Finanzierungsquellen während der Studienzeit wahrgenommen.  

Finanzierung

Studiendauer

Die Zeit, die Studierende zum Beispiel in eine Nebentätigkeit wie Kellnern oder ähnliches investieren, wirkt sich zwar kaum negativ auf den Studienerfolg aus, jedoch brauchen Bachelor-Studierende mit einem Nebenjob häufig länger für ihr Studium. Das geht aus einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2018 hervor.

Gründe für ausbleibende Bewerbungen

Doch wieso stehen Finanzierungsmöglichkeiten wie BAföG oder der Nebenjob stärker im Fokus als die Förderung durch ein Stipendium? „Stipendien stellen eine besonders attraktive Form der Bildungsfinanzierung dar, weil sie nicht zurückgezahlt werden müssen und häufig mit einer ideellen Förderung verbunden sind“, heißt es in der Stipendienstudie 2016 (Bildungsförderung in Deutschland: Ungleichheiten beim Zugang zu Stipendien) der Initiative für transparente Studienförderung (ItS) und der Stiftung Mercator. Gerade  für Bildungsaufsteiger*innen können dadurch Netzwerke erschlossen werden, die für den späteren beruflichen Erfolg eine große Bedeutung haben können.“ Um die Strukturen im Stipendienwesen und die Beweggründe, Hürden und Vorbehalte von Studierenden besser erschließen zu können, hat die ItS im Rahmen dieser Stipendienstudie deutschlandweit insgesamt 2.463 Abiturient*innen sowie 25.121 Studierende aller Hochschultypen und Studiengänge online befragt. Die Studie beschäftigt sich insbesondere mit den Ungleichheiten bei der Vergabe von Stipendien, die aus der Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen Herkunft resultieren, sowie mit den individuellen Gründen für eine ausbleibende Bewerbung. Diese Gründe zeigt die Grafik.  

Gründe

Quelle: Gassner, A; Maier, M. (2016): Bildungsförderung in Deutschland: Ungleichheiten beim Zugang zu Stipendien. Berlin: ItS Initiative für transparente Studienförderung gUG, S. 60

Die Gründe für ausbleibende Bewerbungen wurden im Rahmen des inzwischen abgeschlossenen Projekts "Stipendienkultur Ruhr" auch in den Gemeinsamen Studierendenbefragungen der RuhrFutur-Hochschulen erhoben. Es zeigte sich, dass die folgenden drei Aussagen mit Abstand am häufigsten als die ausschlaggebenden Gründe benannt wurden:
•    zu glauben, die Bewerbungsvoraussetzungen nicht erfüllen zu können (41 Prozent),
•    nie ernsthaft über eine Bewerbung nachgedacht zu haben (22 Prozent) sowie
•    zu wenig Informationen zum Thema „Stipendien“ gehabt zu haben (17 Prozent).

Die Ergebnisse lieferten Anknüpfungspunkte für Maßnahmen an den beteiligten Hochschulen. So wurden strukturierte Angebote geschaffen, um Studierende gezielt und rechtzeitig über Stipendien zu informieren sowie den Bewerbungs- und Auswahlprozess vorzubereiten. Durch direkte Ansprechpartner*innen, persönliche Beratung und Peer-Formate sollten Ängste und Vorbehalte abgebaut werden. Auch die Hochschulmitarbeiter*innen wurden informiert, motiviert und qualifiziert, um das Thema Stipendien im Wissenschafts- und Verwaltungssystem der Hochschulen fest zu verankern. 

Förderungen Zusage

Herkunftsbezogene Selektion auch bei der Stipendienvergabe; Aus: Kriegesmann, B. (2018): Institutionelle Voraussetzungen für das Stipendiengeschehen im Ruhrgebiet. Bochum: IAI, Institut für Angewandte Innovationsforschung

Das Projekt setzte an den besonderen strukturellen Bedingungen im Ruhrgebiet an. So leben hier viele Erstakademiker*innen, die besonders von der ideellen und finanziellen Förderung profitieren: Stipendien eröffnen wertvolle Netzwerke, die eine bessere akademische Integration ermöglichen und somit langfristig positive Effekte für den weiteren Werdegang haben können. Die Weiterentwicklung der Stipendienkultur könnte somit zur stärkeren Entkoppelung von sozialer Herkunft und Studienerfolg beitragen. Dass hier noch eine enge Verknüpfung besteht, zeigt beispielsweise diese Abbildung aus einer Studie zu den institutionellen Voraussetzungen für das Stipendiengeschehen im Ruhrgebiet aus dem Jahr 2018.

Empirische Untersuchungen belegen ferner, dass die Zielgruppe der Erstakademiker*innen – also jene, die im höchsten Maße von einer Förderung profitieren würde – in der Vergabe von Stipendien unterrepräsentiert ist. Darüber hinaus zeigt sich, dass dieser Effekt regionalisiert ist und sich besonders im Ruhrgebiet aufdecken lässt. 

Hindernisse

Quelle: Herbold, A.; Reichstetter, L.; Scholz, A. (2017): Soziale Herkunft – Mehr Luft für den Aufstieg, in: Zeit-online, 23.05.2017. 

Für weitere Informationen können Sie sich gerne an unsere Ansprechpartner*innen im Ruhrgebiet wenden oder folgende Studien lesen, die das Stipendienwesen näher untersuchen und die als Grundlage für diesen Text verwendet wurden: 

  • Allensbachstudie: Großer Bedarf – wenig Förderung. Studienfinanzierung 2010. Initiiert und unterstützt von Reemtsma Begabtenförderungswerk. Quelle (pdf)
  • Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.: DIW Wochenbericht Nr. 20/2018. Quelle (pdf).
  • "Stipendienstudie 2016": Bildungsförderung in Deutschland: Ungleichheiten beim Zugang zu Stipendien. Quelle (pdf).
  • Heublein, U. et al. (2017): Zwischen Studienerwartungen und Studienwirklichkeit: Ursachen des Studienabbruchs, beruflicher Verbleib der Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher und Entwicklung der Studienabbruchquote an deutschen Hochschulen. Quelle (pdf)
  • Kriegesmann, B. (2018): Institutionelle Voraussetzungen für das Stipendiengeschehen im Ruhrgebiet. Bochum: IAI, Institut für Angewandte Innovationsforschung.
  • Regionalverband Ruhr, Institut der deutschen Wirtschaft Consult GmbH, Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- und Strukturpolitik e. V., Scholz & Friends Berlin GmbH (2020): Wenn, dann hier. Die Zukunftschancen des Ruhrgebiets im Metropolenvergleich. Quelle (pdf).